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Wenn beide beides wollen

Nachrichten aus der Chemie, Januar 2024, S. 32-34, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Die Vereinbarkeit von Karriere und Partnerschaft ist eines der vorrangigen Bedürfnisse von Dual- Career-Paaren. Um sie zu fördern, muss zunächst das Paar klären, was es will; und auch die Unternehmen können helfen.

Du Schatz, ich habe ein super Jobangebot – mit diesem Satz beginnt nicht selten eine herausfordernde Phase in einer Beziehung. Dies gilt besonders dann, wenn der potenzielle neue Job weit entfernt vom bisherigen gemeinsamen Lebensmittelpunkt eines Paares ist, beide Partner hoch qualifiziert sowie karriereorientiert sind und gleichzeitig Wert auf ein gemeinsames Familienleben legen. Die Fachwelt nennt solche Paare Dual-Career-Paare (Dual Career Couples, DCCs).

Der Statistik zufolge steigt der Anteil der DCCs in den Generationen Y und Z, also der Geburtsjahrgänge ab 1980.

Sicher ist es zunächst schwierig für ein Paar, ein für sich passendes Lebens- und Arbeitsmodell zu finden. Doch Unternehmen tun gut daran, DCCs in diesen Bemühungen zu unterstützen und sich so als besonders attraktive Arbeitgeber zu präsentieren. Denn wie die Erfahrung aus vielen Karriereberatungsgesprächen mit dieser Arbeitnehmerzielgruppe beweist, ist genau dies ein wichtiges Entscheidungskriterium.

Die Wünsche für das Privatleben klären

Was kann ein Paar tun, wenn es die beruflichen Ambitionen beider Partner mit einer glücklichen Partnerschaft verbinden will?

Die wichtigste Voraussetzung ist, offen zu kommunizieren. Machen beide ihre Bedürfnisse und Wünsche transparent und nehmen die des Partners oder der Partnerin ernst, ist eine gute Basis geschaffen.

Helfen kann dabei das Tool zur beruflichen Zieleplanung auf der rechten Seite oben. Der Einstieg erfolgt rechts oben mit der Fragestellung des „Was“ und führt im Uhrzeigersinn durch die einzelnen Aspekte. Diese Zieleplanung sollte jeder Partner zunächst für sich durchführen.

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Was wollen und brauchen beide Partner, um im Berufsleben glücklich zu sein? Das Diagramm hilft, das zu analysieren. Gestartet wird oben rechts mit „Was“, anschließend geht es im Uhrzeigersinn weiter.

Dabei geht es darum, sich zunächst selbst darüber klar zu werden, was für die eigene zukünftige berufliche Ausrichtung wichtig ist.

Zudem sollte das Paar austauschen, was es sich für die private Partnerschaft wünscht:

Welche Vorstellungen bestehen von einer guten Partnerschaft?Welche gegenseitigen Erwartungen gibt es?Wie groß ist jeweils die Bereitschaft, Aufgaben im Haushalt zu übernehmen?Welche Tätigkeiten sollen und können ausgelagert werden?Welcher Lebensstandard wird angestrebt? Worüber wird dieser definiert?Welchen Freiraum wünscht sich jeder Partner für eigene Hobbys und Zeit für sich?Ist eine Fernbeziehung grundsätzlich oder für einen bestimmten Zeitraum vorstellbar?Besteht grundsätzlich Kinderwunsch? Wie sind die Vorstellungen über die Verteilung der Erziehungsaufgaben?Gibt es Präferenzen, was den Wohnort oder Lebensmittelpunkt betrifft?Besteht Interesse, einige Zeit im Ausland zu leben?

Oft wissen beide Partner wenig über ihre gegenseitigen Wünsche und Erwartungen. Sind diese erst einmal ausgesprochen, wird klar, wo Gemeinsamkeiten liegen und wo Konflikte auftreten könnten. Nur dann lassen sich Lösungen für beide Partner finden. Fällt es Paaren schwer, diesen Weg alleine zu gehen, kann eine externe Beratung helfen.

Die Arbeitssituation analysieren

Steht eine konkrete berufliche Veränderung an, empfiehlt es sich, die Stärken und Schwächen (strengths and weaknesses) sowie die Chancen und Risiken (opportunities and threats) zu analysieren, die diese Veränderung für das Paar mit sich bringen kann. Diese SWOT-Analyse ist rechts gezeigt.

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Vor einer konkreten beruflichen Veränderung sollten Stärken und Schwächen (strengths and weaknesses) sowie Chancen und Risiken (opportunities and threats) analysiert werden. So könnte eine solche SWOT-Analyse aussehen.

Indem die Partner die Auswirkungen der sich bietenden Veränderung gemeinsam ermitteln, machen sie ihre Einschätzungen füreinander sichtbar. Insbesondere sollten emotionale Aspekte berücksichtigt werden, da sie ansonsten unterschwellig immer mitlaufen. Werden diese im weiteren Prozess ignoriert und fühlt sich ein Partner mit seinen Bedürfnissen nicht ernst genommen, kann dies die Beziehung massiv stören. Denn gerade bei so zentralen Themen wie dem Verbinden von Karriereambitionen und dem Wunsch nach einer harmonischen Partnerschaft spielen die Emotionen eine große Rolle – auch bei Naturwissenschaftlern, die sich selbst oft als rational beschreiben. Die Kommunikation lässt sich dabei mit einem Eisberg vergleichen: Nur etwa ein Siebtel – die Sachebene als Eisbergspitze – findet verbal statt und ist sichtbar. Die verbleibenden sechs Siebtel – die emotionale Ebene, der Rest des Eisbergs – ist nonverbale Kommunikation und unter der Oberfläche.

Erkennen die Partner, denen das Jobangebot nicht gilt, Vorteile und Chancen in der Veränderung, wird ihre Bereitschaft, diese mitzugestalten, wachsen.

Dual Career Service

Arbeitgeber sind sich zunehmend bewusst, dass sie Kandidaten aus Dual-Career-Konstellationen in der Regel nur für ihr Unternehmen und einen damit verbundenen Ortswechsel gewinnen, wenn sie auch deren Partner unterstützen. Dieser Dual Career Service wird seit Jahren an den Hochschulen bei der Berufung von Professoren geboten und etabliert sich inzwischen auch in der Wirtschaft. Hier unterstützen regionale Welcome Center und Dual-Career-Netzwerke in den Regionen.

So bietet beispielsweise die Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart mit ihrem Dual Career ServiceHilfe an. Dies kann individuelle Karriereberatung bedeuten, arbeitsmarktrelevante Daten aus der Region bereitzustellen oder bei der Platzierung von Bewerbungen in den beteiligten regionalen Netzwerkunternehmen zu unterstützen.

Daher empfiehlt es sich, während des Bewerbungsprozesses bei potenziellen Arbeitgebern nach entsprechenden Unterstützungsangeboten zu fragen. Dies kann auch ein begleitendes Coaching des Partners oder der Partnerin bei der Jobsuche sein oder Zugang zu Netzwerken und Partnerunternehmen am neuen Standort.

Werden Arbeitnehmer von ihrem derzeitigen Arbeitgeber an einen anderen Standort versetzt oder ins Ausland entsandt, gilt es auch hier, das Thema in die Verhandlungen einzubringen. Für die Mitarbeiterbindung – neudeutsch Retention – sind Hilfen in Form eines Dual Career Services ebenfalls wirkungsvoll. Denn je zufriedener beide Partner mit ihrer Arbeitssituation wie auch der Vereinbarkeit mit ihrem Privatleben sind, desto geringer ist die Bereitschaft, den Arbeitgeber zu verlassen.

Die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitswelt, verbunden mit mobilen oder zumindest hybriden Arbeitsformen, eröffnet dabei zusätzliche Optionen. So lassen sich teilweise auch Lösungen finden, ohne den Lebensmittelpunkt zu verlagern. Voraussetzung ist, dass die Bedürfnisse offen angesprochen werden und auch Führungskräfte bereit sind, individuelle Arbeitsmodelle mitzutragen. Der hohe Bedarf an Fachkräften wird diese Entwicklung weiter vorantreiben.

Und so macht es einen entscheidenden Unterschied, ob bei dem Satz „Du Schatz, ich habe ein super Jobangebot“ noch der Zusatz kommt: „… und es wurde direkt angesprochen, dass sie auch Dich bei deiner beruflichen Weiterentwicklung unterstützen werden, sollten wir uns für den Wechsel entscheiden.“

Wer von Anfang an in den Prozess eingebunden wird, der fühlt sich nicht übergangen und ist offener für Neues. Und so kann ein beruflicher Wechsel auch Chancen für den Partner eröffnen.

Mehr zum Thema Dual Career liefern fünf Podcasts mit Praxisbeispielen bei Youtube unter t1p.de/d0631 und die Publikation Dual Career Service aus dem Springer-Gabler-Verlag:

t1p.de/e1fxp

Die Autorin

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Doris Brenner ist freie Beraterin mit den Schwerpunkten Personalentwicklung und Karriereberatung. Sie ist Gastdozentin mehrerer Universitäten und arbeitet eng mit dem GDCh-Karriereservice zusammen. Zuvor war sie in mehreren internationalen Unternehmen tätig.https://media.graphassets.com/ePUtQkrmRb2PMo0sKabw

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